Weimarer Republik: Präsidialregime

Weimarer Republik: Präsidialregime
Weimarer Republik: Präsidialregime
 
Als Reichspräsident von Hindenburg am 29. März 1930 den Zentrumspolitiker und Finanzexperten Heinrich Brüning zum Reichskanzler ernannte, ohne den Reichstag einzuschalten, und ihn beauftragte, ein Kabinett von Fachministern ohne Bindung an das Parlament und seine Fraktionen aufzustellen, war der Weg zu einem präsidialen Regierungssystem beschritten. Dieser Entscheidung lag der Gedanke zugrunde, eine Regierungsmannschaft zu bilden, die unabhängig von den jeweiligen Parlamentsmehrheiten und somit weniger störanfällig war. Dieser Weg führte in seiner weiteren Handhabung zwangsläufig zur Ablösung des parlamentarischen Systems. Ausschlaggebend für den regierenden Reichskanzler war nun das Vertrauen des Staatsoberhauptes, des Reichspräsidenten. Brüning war bereit, in enger Anlehnung an den Reichspräsidenten notfalls auch gegen das Parlament zu regieren. Seine unpopulären finanzpolitischen Sparmaßnahmen suchte er weitgehend mithilfe des Artikels 48 der Reichsverfassung, also durch vom Reichspräsidenten verfügte Notverordnungen durchzusetzen. Er stürzte Ende Mai 1932, weil ihm der Reichspräsident das Vertrauen entzogen hatte. Typisch für das autoritäre Präsidialsystem war, dass der Kanzlersturz ebenso wie die Ernennung des neuen Kanzlers Franz von Papen durch Intrigenspiel in der Umgebung des Präsidenten verursacht wurde. Regisseur dieser Vorgänge war der Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher, der in dem von Papen gebildeten »Kabinett der Barone« das Reichswehrministerium übernahm. Schleicher besaß in diesem reinen Präsidialkabinett eine Schlüsselposition. Als nach der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 die NSDAP mit 230 Mandaten die stärkste Fraktion im Reichstag bildete und dieser dem Kabinett Papen mit 512 gegen 42 Stimmen das Misstrauen aussprach, ließ Papen den Reichstag erneut auflösen. Seinen Plan, keine Neuwahl anzuberaumen, musste er fallen lassen, weil Hindenburg diesem Schritt, der einen Verfassungsbruch bedeutet hätte, seine Zustimmung versagte. So erhielt Schleicher selbst am 3. Dezember 1932 von Hindenburg den Auftrag, ein neues Kabinett zu bilden. Schleicher, dem schon in der Papen-Regierung der Plan vorgeschwebt hatte, Hitler und die NSDAP durch Einbindung in die Regierung zu »zähmen«, versuchte nun als Kanzler, im Rahmen eines von ihm entwickelten großen Arbeitsbeschaffungsprogramms auch die Gewerkschaften, die SPD-Führung und Teile der NSDAP unter dem sozialistisch orientierten Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser an der Regierung zu beteiligen mit dem Ziel, die NS-Bewegung zu spalten und Hitler von der Macht fern zu halten. Die Absicht Schleichers, mit einem umfangreichen Arbeitsbeschaffungsprogramm alle sozialreformerischen Kräfte gegen die Massenarbeitslosigkeit zu mobilisieren, rief die Interessenverbände der Unternehmer und Großgrundbesitzer auf den Plan, die bei Hindenburg gegen diese sozialistischen Ideen des »roten« Generals protestierten und sich jetzt für die Kanzlerschaft Hitlers einsetzten, wie sie auch Papen empfahl. So musste Schleicher am 28. Januar 1933 zurücktreten und Hitler den Weg ins Kanzleramt freigeben.

Universal-Lexikon. 2012.

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